Von Kreisen und Bergsteigen – Ein Aikido-Lehrgang mit Shimizu Kenta Sensei in Hamburg
Aikido ist eine Kampfkunst, die von zahlreichen philosophisch-religiösen Quellen beeinflusst wurde. So auch zum Beispiel vom Zen-Buddhismus, in dem der Ensō-Kreis eine besondere Bedeutung hat. Der Ensō-Kreis ist ein Symbol der japanischen Kalligraphie und steht für Erleuchtung, Stärke, Eleganz und die unvollendete Schönheit der japanischen Ästhetik.
Schaut man genau hin, basiert Aikido auf einer Vielzahl von kreisförmigen Bewegungen. Sie dienen dazu, die Energie des Partners aufzunehmen, umzuleiten und so einen Angriff ins Leere laufen zu lassen. In der Aikido-Lehre an sich, also in der Theorie der Techniken, findet man ebenfalls den Ensō-Kreis, allerdings ist der Lernkreis nie abgeschlossen. Dieser fängt irgendwo an und endet irgendwo, aber er ist nicht vollendet, weil jede Bewegung und jede Ausführung der Technik eine Interpretation der Lehre sind – stets offen für neue Nuancen und tiefere Erkenntnisse. Dieser Gedanke begleitete uns ein Wochenende lang, als Shimizu Kenta Sensei im März 2025 im befreundeten Dojo Seishinkan in Hamburg-Eilbek zu Gast war.
Ein Lehrgang mit internationalem Flair
Shimizu Kenta Sensei ist der Leiter des Tendokan-Dojos in Japan und reist regelmäßig durch die Welt, um Lehrgänge zu geben. Vor acht Jahren besuchte er zuletzt Hamburg, damals noch an der Seite seines Vaters Sensei Kenji Shimizu, der heute 85 Jahre alt ist und nur noch selten auf Reisen geht. Umso größer war die Freude über diesen besonderen Lehrgang im Norden, der nicht nur philosophische Einsichten, sondern auch eine Fülle technischer Details, Varianten und Inspirationen bot.
Rund 70 Aikidoka aus verschiedenen Teilen Deutschlands und Europas kamen zusammen: aus Hamburg, Kiel, Lüneburg und München ebenso wie aus Serbien, den Niederlanden und Dänemark – letztere mit einer beeindruckenden Delegation von fast 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Drei Tage lang wurde gemeinsam trainiert, geübt und reflektiert. Dabei zeigte sich einmal mehr, was Alkido so einzigartig macht: Eine Kampfkunst, die Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht und Erfahrungslevel verbindet und einen Raum für gemeinsames Wachstum schafft.
Der Weg ist das Ziel
Ein weiterer Gedanke von Shimizu Kenta Sensei hallte bei vielen noch lange nach: „Das Schönste am Bergsteigen ist nicht das Erreichen des Gipfels, sondern der Aufstieg selbst.“ Die Anstrengung, die Herausforderung und der kontinuierliche Kampf für den nächsten Schritt sind es, die einen wachsen lassen – im Bergsteigen wie im Aikido. Denn auch hier gibt es keine abgeschlossene Lehre, wie ein unvollendeter Kreis. Die ständige Weiterentwicklung, das Streben nach Verfeinerung und die Suche nach einer eigenen Interpretation sind es, die Aikido zu einer lebenslangen Reise machen.
Dieser Lehrgang war mehr als nur ein technisches Training – er war eine Quelle der Inspiration, ein Austausch über Philosophie und Praxis und ein eindrucksvolles Beispiel für die lebendige Gemeinschaft des Aikido.
Benoît Surin