Als im Januar die Ausschreibung für den Lehrgang herauskam, habe ich mir die Entscheidung zur Teilnahme nicht leicht gemacht.
Ich trainiere zwar seit 2012 Aikido in der Harburger Gruppe, bin mittlerweile aber auch schon 68 Jahre alt. Die physischen Belastungen, über eine Woche täglich zweimal 90 Minuten zu trainieren, sind extrem hoch. Und ich fühlte mich aufgrund der ganzen Einschränkungen durch die Pandemie in jüngster Vergangenheit nicht gerade sehr fit. Andererseits wollte ich natürlich das Hamburger Team, dass in diesem Jahr Mitorganisator war, unterstützen. Also meldete ich mich per E-Mail zum Lehrgang an, und beschloß gleichzeitig, für mich einige zusätzliche Fitnesseinheiten einzulegen.
So verging die Zeit bis zum Juni und mittlerweile waren alle organisatorischen Absprachen getroffen. Björn, Robert und Peter fuhren als Vorhut am Freitag, den 24.6.22 Richtung Herzogenhorn, Dorothea, Alexander, Roland und ich wollten am Sonnabend, den 25.6.22 um 7.00 Uhr starten. Eckhard und Stina vom Dojo Seishinkan aus Eilbek fuhren selbstständig. Wir waren also neun Hamburger und die Wecker waren gestellt. Doch zu unser aller Überraschung gab es in der Nacht vom 24.6. auf den 25.6. eine schlechte Nachricht. Die Unterkünfte stünden für Sonnabend, den 25.6., wegen eines Buchungsfehlers des Hauptorganisators nicht zur Verfügung. Unsere „Vorhut“ versuchte in dieser Nacht alles mögliche, die Teilnehmer auf die Anreise für Sonntag zu orientieren.
Wir, die restlichen Harburger, verschoben den Start auf den Sonntag. Gegen 7.00 Uhr ging es dann auch auf die lange Fahrt von ca. 800 km.
Gegen 17.30 Uhr kamen wir dann endlich am Leistungszentrum Herzogenhorn an. Gemeinsam mit Peter und Roland bezogen wir ein 3-Bettzimmer mit eigener Dusche und WC. Dorothea und Alexander bezogen ein Zweibettzimmer. Nachdem alle persönlichen Sachen verstaut waren, ging es zum gemeinsamen Abendessen ins Restaurant. Dort trafen wir auf viele weitere Teilnehmer aus Dänemark, den Niederlanden, der Schweiz, Serbien und Deutschland. Viele kannten sich von früheren Lehrgängen und begrüßten sich herzlich. Danach ging es zum gemeinsamen Aufbau der Matte ins Dojo.
Zum Abschluß des Abends noch ein Blick auf den Trainingsplan. Täglich 10.00 Uhr und 15.30 Uhr Beginn. In den Trainingspausen waren wir als Teil des Orga-Teams natürlich für die Kontrolle und Reinigung des Dojos täglich zuständig.
Die erste Nacht in fremder Umgebung war mehr oder weniger erholsam für den einzelnen.
Dann am Montag das erste Training. Ich bin, wahrscheinlich wie alle anderen auch, schon mit einer gewissen Anspannung ins Training gegangen. Nach der Begrüßung durch Waka Sensei ging es auch schon dynamisch los. Alle Teilnehmer verfolgten konzentriert die vorgeführten Techniken und trainierten dann mit wechselnden, selbst gewählten Partnern.
In der Mittagspause erreichte uns dann die Nachricht, das die Mehrzahl des Küchenpersonals durch Erkrankung ausgefallen ist. (Anm. d. Red.: Das komplette Küchenteam war Corona-positiv.) Ein kompletter Mittagstisch konnte nicht mehr bereit gestellt werden. Wir waren alle geschockt, droht jetzt etwa der Abbruch des Lehrganges ? In den Köpfen des Orga-Teams müssen wohl alle Alarmglocken geläutet haben. Der Betriebsleiter versprach nach einer Lösung zu suchen, die er auch fand und uns präsentierte: Der Mittagstisch sollte sich auf eine Suppe bzw. kleinen Imbiß beschränken, das war mit dem verbleibenden Küchenteam noch leistbar. Ein warmes Abendessen konnten wir dann in einer Jugendherberge am Fuße des Gipfels bekommen. Es ging also weiter! Das verbleibende Serviceteam, das sei an dieser Stelle gesagt, hatte uns noch die gesamte Woche vom Chef bis zur Aushilfe bestens versorgt. Großen Dank dafür, was wir am Ende der Woche auch mit einem großzügigen Trinkgeld würdigten.
Wir kämpften uns auf den Mittwoch zu, die Halbzeit sozusagen. An diesem Tag gab es kein Nachmittagstraining. Peter hatte uns alle motiviert, gemeinsam die Krunkelbachhütte auf 1294m Höhe zu besuchen. Wir machten uns also zu fünft auf den zum Teil nicht ganz unbeschwerlichen Weg. Oben angekommen genossen wir den wunderschönen Ausblick an einem herrlichen Sommertag und die Angebote der Gastronomie. Eine Gruppe mit einigen Aikidoki aus Großhadern hatte die gleiche Idee wie wir Hamburger und traf wenig später ein. Man kam ins Gespräch. Eine der Damen war dann wohl der Meinung, dass ich wegen der grauen Haare und des damit verbundenen Alters der Dojoleiter sein müßte, irgendwie hielt sich diese Meinung dann auch im weiteren Verlauf des Lehrganges hartnäckig, zum Gaudi meiner Hamburger Begleiter und weiteren Lehrgangsteilnehmer. Nun, es ist ja nicht wie bei unseren Vorfahren, das immer die Silberrücken die Chefs sind. Unser Rückweg von der Hütte führte dann über einen sehr steilen Aufstieg über das Herzogenhorn. Das kam schon fast einem Training gleich.
Am Donnerstag begann die zweite Wochenhälfte, noch vier Trainingseinheiten lagen vor uns. Waka Sensei führte die Techniken mit wechselnden, höher Graduierten aus dem Teilnehmerkreis aus. Seine Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichen Trainingspartner war erstaunlich. Er erläuterte die Ausführung aller vorgeführten Techniken.
Zum Ausklang des Donnerstag fuhren alle Harburger nach Todtnau und verbrachten den Abend gemeinsam in einer Pizzeria bei leckerem Abendessen und Smalltalk.
Am nächsten Morgen, dem Freitag, war es allen ein wenig anzumerken, das bereits 4 Tage hinter uns lagen. Nun aber nochmal konzentriert alles geben.
Waka Sensei beantwortete auch alle Fragen. So stand irgendwann auch die Frage nach der wohl wichtigsten Technik beim Aikido im Raum. Favorisiert wurde die Shiho-nage. Shiho bedeutet im japanischen 4 Richtungen. Mit dieser Technik kann das Gleichgewicht eines Angreifers gebrochen werden. Weitere Techniken können sich anschließen.
Am Ende der Nachmittagseinheit trat dann die Graduierungskommission vor die Teilnehmer. Waka Sensei begann mit dem Verlesen der Namen, die eine Graduierung erhalten sollten. Dann plötzlich auch mein Name. Ich konnte es noch gar nicht glauben. Ich sprintete nach vorn, empfing die Glückwünsche und platzierte mich im Seiza-Sitz neben den anderen Graduierten. Was ging mir alles durch den Kopf. Je länger man Aikido trainiert hat, um sehr mehr und kritischer betrachtet man sein Tun. Vielleicht hatte mein Vorsatz, locker und entspannt in die Woche zu gehen irgendwie funktioniert. An dieser Stelle herzlichen Dank an unserem Trainer Björn und das gesamte Trainerteam. Ohne Eure Mühe wäre dieser Erfolg für mich nicht möglich gewesen.
Die Hamburger waren insgesamt sehr erfolgreich. Peter und Robert wurden zum 3. Dan graduiert. Stina (Dojo Seishinkan Eilbek) und meine Wenigkeit wurden zum 1. Dan graduiert. Dann folgten die vielen gegenseitigen Glückwünsche. Nachdem sich der Trubel ein wenig gelegt hatte, bauten wir gemeinsam die Matte ab und verstauten diese wieder im Dojo. Ein kleinerer Teil der Aikidoka kümmerte sich bereits um das Catering für das spätere gemeinsame Grillen.
Nach kurzer Zeit für Duschen und Umziehen fanden sich alle wieder auf der Terrasse am Grillplatz ein, Eckhardt und Miki, hatten erstmal den Grill übernommen. Robert Hundshammer dankte Waka Sensei und allen Teilnehmern für den harmonischen Lehrgang. Dann gemeinsames, gemütliches Beisammensein, für einige bis weit nach Mitternacht.
Nebenbei hieß es aber auch Koffer packen, denn am Sonnabendmorgen war Abreise.
Am Sonnabend beluden wir noch vor dem Frühstück das Auto mit unserem Gepäck. Dann letztes Frühstück und große Verabschiedung. Wir starteten noch kurz vor neun Uhr. Ein Dankeschön an Dorothea und Alexander für die Mitfahrgelegenheit. Wir kamen trotz angekündigter erster großer Reisewelle erstaunlich gut durch.
In Hamburg angekommen, hieß es dann noch kurz frisch machen und auf zur Horn-Rückkehrer- Party. Sebastian hatte dankenswerter Weise sein Grundstück zur Verfügung gestellt. Dort wurden wir dann auch vom Rest unserer Truppe herzlich begrüßt. Wir wurden mit liebevoll zubereiteten Speisen, Gegrilltem und Getränken aller Art verwöhnt. Es gab schöne und erfüllende Gespräche. Ein sehr schöner Abend.
Mir wird diese Woche wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Ich nehme Erfahrungen und Anregungen mit und ich habe ein Ziel erreicht, das mich auch motiviert weiter zu machen.
Zum Abschluß ein Dankeschön an das Orga-Team. Ich glaube, die waren selten so gefordert, wie gerade auf diesem Lehrgang.
Wilfried Rummelhagen