Reisebericht Japan 2019 – Teil 1: Das goldene Jubiläum des Tendokan
Vor einer Reise steht in aller Regel auch eine ausgiebige Planungsphase. So war es auch bei uns. Nachdem wir vor vielen Monaten bereits die Flüge gebucht hatten, stand schon mal der Zeitraum für unsere Japanreise fest. 2019 stand das Tendo World Seminar im Zeichen des 50-jährigen Jubiläums des Tendokan, dem Dojo unseres Lehrers Shimizu Sensei. Natürlich reist man nicht nur für ein Seminar um die halbe Welt, und so planten wir nicht nur Aikido, sondern auch eine Woche Rundreise mit dem sogenannten „Bullet Train“, dem Shinkansen.
Wir waren zwar schon einige Male in Japan, bisher aber vor allem in der Region um Tōkyō – die Rundreise bedurfte also weiterer Planung. Die Tickets für den Shinkansen bestellt man in Deutschland. 3 Monate vor der Reise erhält man einen Voucher und löst diesen in Japan gegen das „echte Ticket“ ein: den JR Japan Rail Pass.
Als wir im Dojo von unserer geplanten Reise berichteten, häuften sich die Anfragen:
„Könnt Ihr etwas mitbringen?“. So ging eine ganze Reihe an Bestellungen bei uns ein, und am Ende hatten wir ganz schön viel Extragepäck für den Rückweg auf der Liste. Wie sollten wir das alles am besten nach Deutschland bekommen? Wir stellten bald fest, dass ein extra Gepäckstück günstiger als der Versand per Post ist. So kauften wir kurzerhand eine stabile Tasche, die wir, klein gefaltet, auf der Hinreise in unsere Koffer stauen konnten.
Was braucht man für eine solche Reise? Natürlich gute Anzüge, gute Schuhe und Krawatten! Ein Goldenes Jubiläum ist auch in Japan etwas Besonderes, und die Hinweise auf die Kleiderordnung waren mehr als deutlich: dem Anlass entsprechend. Nach vielem Grübeln war uns klar, dass damit die komplette Garnitur gemeint ist.
Neben dem Schapptüch brauchten wir aber auch Platz für die Trainingsbekleidung, extra Trainingstaschen, Klamotten für alle Wetterlagen, die tägliche Hygiene und natürlich ganz viel Technik. Neben Adaptern, der Ladeelektronik, dem Notebook und anderem Kleinkram nahmen unsere beiden großen Fotoausrüstungen viel Platz ein.
Wie schon so oft wollte Jörg aus Wilhelmshaven uns begleiten, und daher banden wir ihn natürlich auch in alle Details zur Reiseplanung ein. Über viele Wochen wälzten wir alle möglichen Webseiten und analoge Reiseführer, lasen viele Berichte über Japan und fragten im Bekanntenkreis nach guten Tipps. Daraus zurrten wir schlussendlich einen Reiseplan, der neben dem normalen Japanaufenthalt auch viele Höhepunkte für unsere Rundreise bot.
Samstag, 12. Oktober – Kategorie-5-Supertaifun Hagibis
Einige Tage vor unserer Abreise machte nicht nur in Aikido-Kreisen die Nachricht eines aufkommenden Supertaifuns die Runde. Wir wurden von vielen Bekannten, Verwandten und Freunden angesprochen: Habt ihr schon von Hagibis gehört?
Einige Aikidoka hatten ihren Aufenthalt in Japan so geplant, dass das Seminar und die Jubiläumsfeier den krönenden Abschluss bilden würden, sie waren bereits in Japan. Andere saßen an dem Wochenende vor unserer Abreise an Flughäfen fest, da ihre Flüge gestrichen oder verschoben worden waren. Japan zu erreichen war fast unmöglich, und auch im Land selber hatte der Taifun den öffentlichen Verkehr in weiten Teilen lahmgelegt – sehr unüblich für dieses Land des perfekten Timings.
Montag, 14. Oktober – Kein Sushi vor Japan
Am Montag wurde gepackt, das Gepäck gewogen, und pünktlich traf Jörg bei uns ein. Zusammen wollten wir online bei SAS einchecken, aber mit Verwunderung stellten wir fest: Kein Platz war mehr frei wählbar. Da am Wochenende so viele Flüge gestrichen worden waren, wurden die Maschinen bis auf den letzten Platz gefüllt. Für uns war das aber kein Problem, denn wir saßen immerhin beieinander. Abends gab es noch ein letztes Training in Deutschland und dann ein kurzes Abendessen – das bei Jörgs Besuchen übliche Sushi erübrigte sich aus naheliegenden Gründen.
Dienstag, 15. Oktober – Mit den Wikingern nach Osten
Ein frühes Aufstehen, ein letztes europäisches Frühstück, und schon saßen wir in der S-Bahn zum Helmut Schmidt Airport. Unser Zubringerflug nach København sollte zwar erst um 13:25 Uhr starten, aber unser Vertrauen in die Zuverlässigkeit des HVV ist nicht das Größte.
Kurz nach unserer rechtzeitigen Ankunft am Flughafen trafen wir Helge aus Kiel. Da es für ihn die erste Japanreise werden sollte, hatte es sich Heike, seine Mutter, nicht nehmen lassen, ihn nach Hamburg zu bringen – was für ein freudiges Wiedersehen. Koffer aufgeben, verabschieden und Check-In, alles ging deutlich schneller als gedacht, und so hatten wir noch genug Zeit, um Helge ein wenig auf Japan vorzubereiten.
Obwohl wir etwas später in Hamburg gestartet waren, erreichten wir lange vor dem Interkontinentalflug den schönen Flughafen der dänischen Hauptstadt. Nach ein paar Zwischenstopps für dänische Backwaren kamen wir im Wartebereich des Gates für unseren zweiten Flug an und entdeckten sofort zwei nur allzu bekannte Gesichter: Rune & Morten aus dem Dojo in Herlev. Die Wartezeit verbrachten wir nun damit, auch die Beiden mit vielen Tipps zu versorgen – ein Weltseminar verbindet also schon vor dem Start.
Ein kurzer Blick aus dem Fenster, da stand er, der A340. Würde es wieder so schlimm wie vor 4 Jahren? Zum Glück nicht; dieses Mal handelte es sich um einen innen komplett neu ausgestatteten Airbus. Um Punkt 16:00 Uhr hieß es „Take-off“. Die nächsten Stunden vertrieben wir uns mit guten Filmen die Zeit zwischen den geschmacksneutralen Mahlzeiten.
Mittwoch, 16. Oktober – Tōkyō
Neben den Filmen braucht man aber auch etwas Zeit, um die Einreisedokumente auszufüllen. Für uns war ja klar: Nix zu verzollen! Eine Durchsage kurz vor der Ankunft sorgte dann doch für etwas Nachdenken. Die Einfuhr von tierischen Lebensmitteln könnte eine Strafe von 1,5 Millionen Yen und Probleme bei nachfolgenden Japanreisen nach sich ziehen – der leckere Schinken für die Get-Together-Party musste dran glauben.
Pünktlich auf die Minute erreichten wir Japan. Nachdem wir unser Gepäck erhalten, den leckeren Schinken der Vernichtung zugeführt und unsere bereits in Deutschland bestellten SIM-Karten abgeholt hatten, machten wir uns auf die Suche nach einer Verbindung vom Flughafen in die Stadt. Dank der von Jörg organisierten Mobiltelefone hatten wir jetzt einen Hotspot und verglichen die Preise der verschiedenen Linien.
Während wir für die Dänen noch 2 Karten für die Metro in Tōkyō kauften, wurde Björn vor dem Bus-Terminal von einem Japaner angesprochen. Dieser hatte mit seinem Kleinbus eine Gruppe zum Flughafen gefahren und wollte nun nicht leer zurück nach Tōkyō – für 2.000 Yen (ca. 18 Euro) pro Person wollte er uns direkt zu unseren Hotels bringen. Im Vergleich: Eine Fahrt mit dem Zug kostet ca. 3.000 Yen, die Linienbusse zwischen 2.000 und 4.000 Yen – dann käme aber noch das Umsteigen und ein langer Fußweg hinzu.
Nach einer Stunde in Japan saßen wir im Bus Richtung unserer beider Hotels „The B“ und „Fukudaya“. Eine unglaubliche Erleichterung: direkt von Tür zu Tür mit all dem Gepäck, ohne Umsteigen und weite Fußwege.
Die knapp 90-minütige Fahrt vom Flughafen Narita bis zum Tōkyōter Bezirk Sangenjaya sorgte bei Helge, Rune & Morten, trotz ihrer Müdigkeit, für viele Momente des Erstaunens, aber auch einiger Schreck-Sekunden. Während wir ungläubig staunten, dass einen Tag nach einem Super-Taifun keine Spuren der Verwüstung mehr zu sehen waren, zuckten die anderen an jeder Maut-Station zusammen. Unser Fahrer fuhr jeweils mit vollem Tempo an die Schranken heran, die sich in Bruchteilen von Sekunden direkt vor uns öffneten. Für uns war das ganz normal.
Über die Rainbow-Bridge, eine von Tōkyōs Sehenswürdigkeiten, ging es zuerst zu unserem Hotel, dann wurden die Dänen zu ihrem gebracht. Vorher bezahlten wir den Fahrer und gaben Rune & Morten noch einen dezenten Hinweis zum Bezahlen in Japan: Während es in Deutschland üblich ist, getrennt zu bezahlen, ist dieses in Japan unbekannt. Es verzögert nicht nur das Zahlen, es gilt auch als unhöflich. So impften wir unsere Mitfahrer: In einer Gruppe bezahlt immer einer alles, auseinander gerechnet wird dann später. Außerdem ist es typisch japanisch, kein Trinkgeld zu geben.
Im Fukudaya angekommen, verbrachten wir erstmal eine lange Zeit beim CheckIn. Das Personal ist immer sehr freundlich, aber es spricht kaum einer Englisch und so ist die Kommunikation immer etwas mühsam. Wir wollten (wie schon bei unserem letzten Besuch) das große Fluggepäck während des Seminars und auch unserer späteren Rundreise im Hotel lassen, und daher hatten wir 3 Aufenthalte in verschiedenen Zimmern, die wir gleich bei unserer Ankunft bezahlen sollten. Nachdem wir dies geklärt hatten, gab es ein paar Minuten Ruhe in den traditionell japanisch eingerichteten Zimmern.
Gegen 14:00 Uhr brachen wir zu Fuß in Richtung Shibuya auf und besuchten zuerst ein uns wohlbekanntes Kaiten-Sushi-Restaurant. Hier bezahlt man nach Muster und Farbe der Teller, die günstigsten fangen bei 90 Yen (ca. 70 Cent) an, es geht aber auch deutlich höher.
Sushi bestellen ist nicht schwer: „Sumimasen“ (= entschuldigen Sie bitte), dann die gewünschte Zutat, beispielsweise „Uni“ (= Seeigel) und natürlich die höfliche Bitte „Onegaishimasu“.
Nach vielen Tellern Sushi (gut, wenn man sich zu zweit die Spezialitäten teilt) waren wir schon mal kulinarisch in Japan angekommen.
Danach konnten wir entspannt Helge die nahegelegene Kreuzung „Shibuya Crossing“ zeigen, die in jedem Touristenführer erwähnt wird. Direkt neben ihr befindet sich auch die berühmte Statue Hachikō neben dem gleichnamigen Eingang zum riesigen Bahnhof.
Leider befanden sich viel zu viele Touristen um Hachikō, sodass wir uns bald auf den Rückweg machten.
Gegen 15 Uhr waren wir wieder im Hotel. An dieser Stelle sei erwähnt, dass es sich beim Fukudaya um ein kleines, familiengeführtes Hotel im japanischen Stil handelt. Man schläft auf Futons, die auf traditionellen Tatami in gemütlich eingerichteten Zimmern liegen.
Für ein Nickerchen war aber keine Zeit, denn das erste Training lag vor uns. Wir wollten nicht nur an dem Seminar teilnehmen, sondern während unseres Aufenthalts in Tōkyō auch die normalen Trainingseinheiten im Tendokan mitmachen. So machten wir uns um kurz vor 17 Uhr gemeinsam auf den Weg zum Dojo. Zu Fuß braucht man etwa 30 Minuten, mit der Metro, eine gute Wahl vor dem Frühtraining, schafft man es in 15.
Als wir das Dojo erreichten, war das Kindertraining mit Waka Sensei noch in vollem Gange. Trotzdem wurden wir begrüßt und durften noch ein wenig zuschauen.
Direkt im Anschluss, die Kinder legten gerade ihre Trainingsanzüge ordentlich zusammen, begrüßten wir dann auch Shimizu Sensei und seine Frau Birgit. Während des Umziehens trafen immer mehr bekannte Gesichter ein. Hier im Tendokan, dem Haupt-Dojo unseres Aikidos, finden alle, egal aus welchem Teil der Erde, zusammen.
Was uns im Dojo sofort auffiel, war eine wunderschöne Dekoration aus Orchideen. Dieses Geschenk eines Dojo-Mitglieds war eine besondere Züchtung und kostete mehrere hundert Euro. Ein dezentes Schild zeigte: „Tendokan 50th Anniversary – Tendo World Seminar 2019“.
Das Dojo wurde immer voller und als wir dachten, jetzt würde nichts mehr gehen, meinte Robert Hundshammer nur: „Wartet mal auf morgen.“
Mit knapp 80 Personen auf der kleinen Matte ging es in die erste Stunde des Trainings, diese wurde von Shimizu Sensei geleitet. Die zweite Einheit übernahm Waka Sensei, wobei aufgrund der Fülle vor allem weniger raumfüllende Techniken geübt wurden. Ich erinnere mich genau an einen Kommentar, wonach jeder gefordert ist, sich selber Platz zu schaffen und diesen Raum dann zu nutzen…
Nach einer kurzen Dusche, wir wollten ja nicht unnötig den Strom der Massen aufhalten, ging es ans Einsammeln unserer Bestellungen: 2 Dogi für uns, 7 Hakama und ein paar T-Shirts – bei dem Volumen war es gut, ein extra Gepäckstück für den Rückflug gebucht zu haben.
Direkt im Anschluss machten wir uns schwer bepackt mit Trainingstaschen und Tüten auf den Weg zu MOGI. In diesem kleinen Lokal direkt neben dem Tendokan gibt es die beste Nudelsuppe Tōkyōs. Wer dort, wie ich, ein „Waka-Sensei Special“ bestellt, bekommt das doppelte an Einlage und wird auf jeden Fall satt.
Trotz der schweren Taschen kauften wir noch ein paar Bierchen, die wir, wie schon so oft, im Foyer des Fukudaya tranken. Die Kombination aus einem leckeren Asai, 2 Stunden Training und der langen Reise sorgten für die nötige Bettschwere und so lagen wir schon bald auf unseren bequemen Futons.
Donnerstag 17. Oktober 2019 – Geschichtsabend
Der Wecker klingelte um kurz nach 5 Uhr und da das Hotel mit Aikidoka fast ausgebucht war, machte sich eine große Truppe müder Krieger auf den Weg zum Frühtraining.
Am Bahnhof in Sangenjaya sahen wir sofort das Poster zum 50-jährigen Jubiläum des Tendokan – eine tolle Werbung an prominenter Stelle.
Das Tendokan befindet sich in einem etwas zurückliegenden Gebäude hinter einer zweigeschossigen 8-spurigen Hauptverkehrsachse. Durch die hohen Häuser an der Straße ist es in der zweiten Reihe schon sehr ruhig, aber die vielen Aikidoka sorgten für ein reges Treiben.
Bei knapp über 100 Aikidoka, die in vier Reihen im Dojo saßen, war ein richtiges Training kaum noch möglich. So übten wir vor allem kleine Hebeltechniken und hörten so manche interessante Geschichte von Shimizu Sensei aus seiner Zeit als Schüler beim Begründer des Aikido. Es waren sehr viele, wenig bekannte Details dabei, aber beim Schreiben dieser Zeilen merke ich dann doch, dass ich mir nicht alles merken konnte.
Am Ende des Trainings teilte Shimizu Sensei dann mit, dass wir zum Abendtraining alle ohne Dogi kommen sollten. Das Training, zu dem knapp 200 Leute in dem kleinen Dojo erwartet wurden, sollte etwas ganz Besonderes werden, und die Dogi müssten vor dem Seminar ja auch etwas Pause haben.
Nach dem Training besuchten wir zunächst den nahegelegenen Stempelladen, aber leider war dieser noch geschlossen. Wir versuchten die Öffnungszeiten im gegenüberliegenden Kōban (kleine Polizeistation) zu erfragen, jedoch war die Verständigung auf Englisch nicht erfolgreich. Wenn die Japaner 2020 die Olympischen Spiele in Tōkyō ausrichten, werden sie wohl noch einige Nachhilfestunden in Englisch nehmen müssen.
Nun knurrte der Magen aber hörbar, sodass wir uns auf die Suche nach einem Frühstück begaben. Ganz in der Nähe wurden wir fündig und genossen das erste Frühstück in Japan – Soba (= Buchweizennudeln) und Tempura sowie Suppe. Direkt danach suchten wir den schönen Weg vom Dojo in Richtung Fukudaya. Dieser Weg, entlang eines Bächleins, schlängelt sich wie ein grünes Band durch den Bezirk und lädt zum Spazieren ein. In dem Bach schwammen Koi, ein Silberreiher guckte den kleinen Schildkröten hinterher und das alles nicht weit von einer Hauptverkehrsstraße entfernt.
In einem Supermarkt konnten wir Helge nicht nur zeigen, was es in Japan alles zu kaufen gibt, sondern fanden auch das im Internet für Japanreisen empfohlene Flüssigwaschmittel. Dieses ist besonders gut, da man in Japan die Wäsche kalt wäscht. Kalt bedeutet hier nicht 30-40°, sondern einfach die Temperatur aus der Leitung. In den Waschsalons kann man zwar Pulver kaufen, dieses löst sich aber kaum auf, und daher ist ein flüssiges Waschmittel sehr viel besser.
Eine sehr nette Verkäuferin bemühte sich außerordentlich, mir das richtige Produkt zu suchen, und ein kurzes Zeigen meines Dogi zauberte ihr ein deutliches Lächeln ins Gesicht.
Im Hotel trennten sich dann unsere Wege: Jörg und Björn wollten mit Helge etwas Sightseeing machen, meine Aufgabe war die Vorbereitung auf das Seminar. Bepackt mit allen neuen Dogi machte ich mich auf den Weg zu einem Waschsalon und versuchte dort die Imprägnierung aus der Baumwolle zu waschen. Für 300 Yen laufen die kleinen Toploader ca. 25 Minuten und danach ging es in die Gas-betriebenen Trockner. Die schweren Baumwollanzüge brauchten schon einige 100 Yen-Stücke, die man alle 10 Minuten nachwerfen musste.
In der Wartezeit machte ich mir erste Notizen für diesen Bericht, aber auch noch ein paar Gedanken über unsere Reiseplanung. Für die vorbeikommenden Japaner hat es sicher komisch ausgesehen, das eine Langnase im Waschsalon Papier vollkritzelt.
Zurück im Fukudaya, die frisch gewaschenen Dogi waren gefaltet, machte ich mich an meinen neuen Hakama. Beim ersten Nachmessen bekam ich einen gehörigen Schreck: Die Maßanfertigung war 4 cm zu lang! Da half kein Fluchen, sondern nur eine Anprobe – er passt doch. Eine spätere Kontrolle sollte zeigen, dass mein Papiermaßband mehrere Zentimeter Ungenauigkeit auf einen Meter aufwies…
Wenig später trafen dann auch Björn, Helge & Jörg ein. Die Drei hatten nicht nur unsere JapanRail-Pässe im Gepäck, sondern auch einiges über ihre kurze Tour zum Meiji-jingū, einem Shintō-Schrein in Shibuya, zu berichten. Helge meinte, dass die Eindrücke ihn erschlagen würden. Diesem Empfinden kann ich nur beipflichten; bei meinem ersten Japanbesuch 2012 musste ich mich in den ersten Tagen auch an diese Stadt und das ganze Land gewöhnen. Überall sind Menschen, an jeder Ecke blinken Werbetafeln und laute Werbedurchsagen dringen über eine Menschenmenge, die man gut und gerne über ganz Berlin verteilen könnte – und dies ist nur ein Stadtteil. Tōkyō hat knapp 10 Millionen Einwohner, in der Metropolregion leben insgesamt über 38 Millionen Menschen.
Gegen 16 Uhr machten wir uns wieder auf den Weg in Richtung Sangenjaya. Während Björn zuerst mit Helge und dann mit Jörg jeweils einen Hanko (= Namensstempel) orderte – mit 2 Kunden war der Laden auch schon mehr als voll – erkundete ich die nähere Umgebung. In Japan gibt es sie noch, die kleinen interessanten Gassen, in denen man alles findet. Vom Rotlichtviertel über Läden für Kalligrafie-Zubehör bis hin zu Mini-Restaurants, die auf eine Speise spezialisiert sind. Man sollte aber nicht als typischer Tourist nur dem Reiseführer folgen, sondern auch mutig etwas abseits auf eigene Faust Japan erkunden. Auch wenn man die Personen selten direkt ansprechen kann, mit einem Lächeln und den bekannten Händen & Füßen gelingt so manche Kommunikation.
Gegen 18 Uhr waren wir knapp 200 Leute im Dojo. Zum Tendo-World-Seminar auf Izu und der großen Jubiläumsfeier in Tōkyō waren sie, von überall her, gekommen. Zum Auftakt informierte uns Waka Sensei, Shimizu Senseis Sohn, über alle Details der kommenden Tage, vor allem über die Abfahrzeit der Busse am kommenden Morgen. Wenn die Japaner sagen, Punkt 6:30 Uhr, dann startet der Motor um 6:29 Uhr und um 6:30 Uhr wird das Gaspedal betätigt. Also wieder eine Art Frühtraining.
Nachdem die organisatorischen Dinge geklärt waren, holte Shimizu Sensei Robert Hundshammer, einen seiner langjährigsten Weggefährten, nach vorne.
Vor Teilnehmern aus über 15 Ländern sollte Robert ein wenig über seine Erfahrungen mit Shimizu Sensei und dem Tendoryu Aikido berichten. Wer Robert kennt, der weiß: Es gibt viel zu erzählen.
Eine Geschichte, an die ich mich am besten erinnere, hat vor über 40 Jahren in Deutschland stattgefunden: Beim Frühstück fragte Shimizu Sensei Robert Hundshammer, warum dieser zu ihm gekommen sei. Die Antwort von Robert war ganz einfach: „Um von Ihnen zu lernen.“ Sensei soll darauf geantwortet haben: „Du lernst doch nichts.“ Nach einigem Hin und Her kam dann die Auflösung: „Wie willst du von mir etwas lernen, wenn du nicht mal merkst, dass meine Kaffeetasse leer ist.“
Nach vielen weiteren Geschichten endete der Abend damit, dass wir unsere Bus-Zuteilung erfuhren und noch einmal wegen der Abfahrzeit ermahnt wurden.
Nach einem kleinen Hinweis von Björn lies ich mir von Birgit den Weg zu einem Sushi Laden beschreiben, den Sensei auch gerne besucht. Nach einem Labyrinth von kleinen Gassen erreichten wir das Restaurant zeitgleich mit den Berlinern.
Freitag, 18. Oktober – Izu
Ein früher Wecker, eine schnelle Dusche, die Taschen ein letztes Mal überprüfen – dann stellten wir unsere großen Koffer ins Foyer, damit diese für die kommenden Tage gelagert werden konnten. Für Izu benötigen wir vor allem eins: Trainingsklamotten und natürlich genügend Unterwäsche zum Wechseln. Zusätzlich mussten wir natürlich auch unseren feinen Zwirn mitnehmen, denn die große Party sollte direkt im Anschluss an das Seminar stattfinden.
Am Dojo trafen wir zunächst auf das Orga-Team des Tendokan, das vor allem darauf achtete, dass jeder in dem ihm zugewiesenen Bus Platz nahm. Nachdem wir unser Gepäck im Bus Nummer 5 verstaut hatten, suchten wir uns einen Platz weit vorne, damit wir möglichst viel von der Fahrt mitnehmen konnten. Kaum hatten wir es uns bequem gemacht, war es 6:30 Uhr: Abfahrt. Es fehlten nur 2 Lehrgangsteilnehmer, die waren wohl etwas zu spät aufgestanden…
Die circa 200 km lange Strecke führte vor allem an der Küste entlang, da die Wege im Hakone Nationalpark wegen des vorangegangenen Taifuns noch zum Teil unpassierbar waren. Leider gab es dieses Mal nur einige Zwischenstopps zum Proviantieren, die tollen Sightseeing-Pausen der letzten Jahre fielen zugunsten einer längeren Seminarzeit flach.
Gegen Mittag erreichten wir Shimoda. Der Ort ist nicht weit von unserem Ziel entfernt. Hier machten wir eine längere Pause, damit die Busse im Abstand von einer halben Stunde zum Kannon Onsen, wo das Seminar stattfinden sollte, aufbrechen konnten.
Warum das alles? Unser Ziel lag fernab der Hauptstraße in den Bergen und ist mit den großen Bussen nicht erreichbar. Auf einen kleinen Parkplatz muss man mitsamt dem Gepäck in Minibusse wechseln, und die letzten Kilometer in kleinen Gruppen zurücklegen. Da die anderen großen Busse die Hauptstraße nicht blockieren durften, wurden sie nacheinander abgefertigt.
Da wir zu Bus Nr. 5 gehörten, konnten wir in aller Ruhe Shimoda erkunden und während die meisten anderen an den Bussen warteten, entdeckten wir ein kleines Kaiten Sushi.
Endlich ging es auch für uns in die Berge und am Ziel kam die erste kleine Ernüchterung: Unser Zimmer, für 4 Personen ausgelegt, war mit 6 Leuten belegt – 3 Norddeutsche, 3 Japaner und 1 Hund. So nett unsere Zimmergenossen auch waren, es war doch sehr eng. Glücklicherweise erinnerten wir uns an einen kleinen Nebensatz von Waka Sensei am Vorabend, er enthielt das Wort: Change. Sollte sich etwas ändern?
Nachdem wir das Gepäck abgestellt und unsere Dogi angezogen hatten, halfen wir, das Dojo herzurichten. Eigentlich hätte die Crew vom Tendokan dieses bereits am Wochenende vorher erledigen wollen, aber auch ihnen kam der Taifun dazwischen. Mit vereinten Kräften von über 250 Leuten lagen die 525 qm Mattenfläche (324 Matten, jeweils ca. 90 x 180 cm groß) so schnell, dass wir viel eher mit dem Training starten konnten als geplant.
Nach der offiziellen Begrüßung durch Shimizu Sensei gab es die erste Trainingseinheit und anschließend ein tolles Abendessen. Leider fand dieses in 3 verschiedenen Räumen statt, denn das Hotel kann eigentlich nur ca. 200 Personen aufnehmen, wir waren jedoch über 250 Teilnehmer.
Nach dem Abendessen war endlich Zeit fürs Onsen, dem traditionellen Bad in den heißen Quellen. Die Anlage bietet in einigen Zimmern ein privates kleines Becken, wo die Zimmergäste direkt im heißen Wasser baden können, aber es gibt auch mehrere Gemeinschaftsbäder. Da unser Zimmer keines dieser privaten Bäder besaß und wir außerdem auch gerne mit den anderen quatschen wollten, nutzen wir eines der großen Bäder. Für das Seminar wurden extra das große Herren- und das große Damen-Bad getauscht, da mehr Herren erwartet wurden. Die Geschlechtertrennung geht auf die Zeit der amerikanischen Besatzung zurück, vorher waren die Japaner nicht so prüde.
Natürlich gibt es auch viele Fettnäpfchen, in die Onsen-Neulinge treten können. Sei es, sich vorher nicht ordentlich gewaschen zu haben, mit Seife am Körper das Bad zu betreten oder das Schweißtuch ins Wasser fallen zu lassen. Schaut Euch einfach mal an, was man im Internet zu japanischen Onsen so findet.
Nach dem Bad trafen wir uns alle im Dojo wieder, dieser Raum war als einziger groß genug, um alle Teilnehmer aufzunehmen. Hier fand die Get-Together-Party statt und das Besondere an diesem Abend war, dass die Tische mit den Mitbringseln der einzelnen Länder gedeckt wurden. Auch die Getränke waren international, und so wurde trotz der vielen Gespräche der Mund nie trocken.
Wie bei allen japanischen Partys gab es ein fixes Ende, um 22 Uhr wurde alles zusammen geräumt und der offizielle Teil war zu Ende. Einige trafen sich danach noch im Onsen, aber alt wurde niemand, denn an jeden Morgen stand ein Frühtraining auf dem Programm.
Samstag, 19. Oktober – Unerwartetes Upgrade
Müde quälten wir uns um kurz nach 5 Uhr in Richtung Dojo, wo uns das Frühtraining die Müdigkeit vertreiben sollte. Nach einer wirklich belebenden Stunde sorgte dann noch die Aussicht auf ein leckeres Frühstück für einen guten Start in den Tag. Der Blick auf die sonst so schöne Gegend blieb uns leider verwehrt, denn trotz des schönen Wetters bei unserer Ankunft regnete es seit unserer Abfahrt in Tōkyō quasi ununterbrochen.
Nach dem Frühtraining wurde ich von Waka Sensei angesprochen, dass wir ein neues Zimmer bekommen sollten und nach dem Mittag umziehen könnten. Das hatte er also einen Tag vorher mit „Change“ gemeint. Er nahm Björn, Jörg und mich mit, um uns das neue Zimmer, was wir eher als Suite bezeichnen würden, zu zeigen. Es war nicht nur sehr geräumig, sondern hier gab es sogar ein privates kleines Onsen. Welch ein Upgrade!
Nach einem typisch japanischen Frühstück, es gab Fisch, Ei, Suppe, Reis, Gemüse, Tōfu und Tee rief wieder der Dogi. Da der Dogi vom Frühtraining noch nass war, kam der zweite zum Einsatz. Im munteren Wechsel sollte dies die nächsten Tage dazu führen, dass beide mit der Zeit immer feuchter wurden, denn es war recht warm und die Luftfeuchtigkeit sehr hoch. Trotz der aufgestellten Ventilatoren hatten die Dogi keine Chance im Dojo zu trocknen.
Das Vormittags-Training wurde von Shimizu Sensei und Waka Sensei geleitet, jetzt hatten wir auch genügend Platz, um größer und dynamischer zu trainieren.
Nach einem kurzen Mittagessen nutzten wir die Zeit für unseren Umzug, bevor es erst ins Onsen und dann wieder auf die Matte ging. Die nächste Trainingseinheit wurde von Nagai Sensei geleitet. Nagei ist deutlich jünger als Shimizu Sensei, aber von der Zeit auf der Matte ist er nach Shimizu Sensei mit am längsten dabei. Wenn man mal das Glück hatte ein Training von Nagai Sensei zu genießen oder sogar direkt mit ihm zu trainieren, so stellt man immer wieder fest: Nagai ist stets auf alles gefasst und jederzeit zum richtigen Zeitpunkt da – dies war jedenfalls mein Eindruck.
Der Abend gestaltete sich ähnlich dem letzten: Abendessen, Onsen, Party.
An diesem Abend hatte sich das Orga-Team etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Im Dojo wurden jeweils 3 Tische so aufgestellt, dass in der Mitte ein Koch Platz fand, und knapp 200 nicht Japanern erklären konnte, wie man Sushi macht. Eine tolle Idee, die sehr gerne angenommen wurde. Jeder hatte die Chance sein Lieblings-Sushi zu kreieren, es gab Zutaten in Hülle und Fülle. Neben verschiedenem Fisch, Kaviar, Gemüse, Muscheln und Tofu gab es auch Tamago (mein geliebtes Ei).
Im Laufe des Abends führte ein Mitglied des Tendokan einen traditionellen japanischen Tanz in der Verkleidung eines Drachen vor – ein sehr beeindruckendes Schauspiel. Im Anschluss wurde der Abend leider von den Russen gekapert. Was mit einer Gesangsaufführung in Tracht begann, dauerte am Ende knapp 90 Minuten und war nicht nur in meinen Augen zu viel des Guten. Es ist schade, wenn man es nötig hat, mit so viel Tamtam auf sich aufmerksam zu machen…
Nach der Party ging es wieder ins Onsen, davon kann man doch nie genug bekommen. Das Besondere am Wasser des Kannon Onsen ist der hohe pH-Wert von 9,5. Dieser sorgt dafür, dass man das Gefühl hat, man hätte Seife an den Fingern.
In jedem Bad, direkt am Einlauf, stehen Holzbecher bereit, aus denen man das Quellwasser auch trinken kann.
Sonntag, 20. Oktober – Die Sonne kommt raus
Der Wecker klingelte früh, und wieder ging es direkt auf die Matte. Erst auf den Weg zum leckeren Frühstück merkten wir, dass etwas anders war als gestern: Der Regen hatte aufgehört.
An diesem Tag wurde die Vormittagseinheit von Nagei Sensei geleitet.
Nach dem Mittag lag schon die letzte Trainingseinheit dieses Seminars vor uns – erstaunlich, da alle das Gefühl hatten, gerade erst angekommen zu sein. Im Anschluss an das letzte Training, das mit vielen dankenden Worten an Shimizu Sensei, das Orga-Team und natürlich auch an alle Teilnehmer, beendet wurde, bauten alle gemeinsam die Matte ab.
Während alle Teilnehmer mit dem Rückbau des Dojos beschäftigt waren, starteten draußen die Vorbereitungen fürs Barbecue. Traditionell findet dieses im phantastischen Garten des Hotels statt, aber dieser war nicht nur durch den vielen Regen komplett aufgeweicht, sondern auch noch viel zu klein für so viele Leute. So wurde der Parkplatz direkt neben dem Dojo zum Festplatz, und wir transportierten Bänke und Tische aus dem Dojo dorthin. Wirklich jeder packte mit an, und so zeigten wir wieder mal, dass die Zeitpläne etwas Schönes sind, aber wenn man gemeinsam etwas macht, alle schneller ans Ziel kommen. So konnten die ersten Grills um 17 Uhr angezündet werden. Während Fleisch und Fisch über den Feuern garte, wurden die Soba frisch ausgerollt, geschnitten und anschließend gekocht und gebraten.
Um 18 Uhr gab es ein besonderes Geschenk von der Chefin des Hauses an Shimizu Sensei: Auf einem etwas höher gelegenem Teil des Platzes begann eine Taiko Gruppe (japanische Trommler) zu spielen. Die Highschool-Band war trotz eines anderen Auftritts an diesem Tag extra gekommen, und beeindruckte sofort alle. Das Eröffnungsstück hallte von den Bergen wieder und bekam Standing Ovations. Insgesamt spielten sie 4 Stücke, bevor sie von allen an den Grills willkommen geheißen und gelobt wurden.
Wir Aikidoka rückten an diesem Abend noch näher zusammen. Es war eine sehr große Familie aus der ganzen Welt, die sich hier an einem Ort versammelt hatte.
Einer der für mich bewegendsten Momente an diesem Abend war aber, als ich neben Björn und Helge stand, und Björn ein paar Worte über dessen Vater fand, der leider nie das Glück hatte, nach Japan zu kommen. Peter, einer der langjährigsten Schüler von Shimizu Sensei, der Anfang 2019 seiner schweren Krankheit erlag, hätte sich sehr gefreut, dass Helge in Japan mit uns auf ihn anstößt.
Die Verbindung von Peter zu uns Harburgern ist immer eine besondere gewesen. Peter stand immer an unserer Seite und wir an seiner. Wir sind glücklich darüber, dass uns Helge nach Japan begleiten konnte, oder waren wir es, die ihn begleiten konnten?! Und auch dies wäre ohne Peter so nicht möglich gewesen. Danke Peter, ruhe in Frieden!
Montag, 21. Oktober – Eine große Party
Am Montagmorgen gab es ein kurzes Treffen im Dojo, ein Frühstück, und dann machten sich die kleinen Gruppen wieder auf den Weg zu ihren Bussen. Da wir wieder im 5ten Bus waren, hatten wir genug Zeit, uns um unsere Anzüge und vor allem Krawatten zu kümmern. Da ich kein Problem habe, den modischen Halsstrick zu knoten, übernahm ich für uns drei das Binden. Fertig gekleidet, aber erstmal ohne Krawatte, trugen wir unser Gepäck wieder vor das Haus, damit es für den Transport verladen werden konnte. Dann ging es auch für uns zum Bus.
Auf der langen Rückfahrt stellte sich heraus, dass doch einige keine Krawatten binden konnten, und so bekam ich in den nächsten Stunden einiges an Übung…
Der große Empfang und die anschließende Feier sollten im Happo-en Garden im Zentrum von Tōkyō stattfinden. Da am kommenden Tag die Kaiserkrönung bevor stand und schon viele Staatsgäste aus unzähligen Ländern eingetroffen waren, hatte das Orga-Team wohl mit mehr Verzögerungen aufgrund der Sicherheitsvorkehrungen gerechnet und daher viele Zeitreserven eingeplant. Aber außer, dass wir andauernd von diversen Polizeistaffeln und den unterschiedlichsten Einsatzfahrzeugen überholt wurden, bemerkten wir nicht sonderlich viel von den Einschränkungen und waren daher überraschend schnell – viel zu schnell.
Wir waren deutlich vor der Zeit am Zielort und so drehten wir noch einige Runden durch den Stadtteil.
Durch die frühe Ankunft am Happo-en hatten wir aber auch etwas mehr Zeit, diese besonders schöne Gartenanlage zu besichtigen. Nachdem wir uns die Krawatten endgültig gebunden hatten, blieb ein wenig Zeit das Gelände zu erkunden, bevor der offizielle Teil starten sollte. Ich konnte mich kaum von den Bonsai lösen, die nicht nur durch Form, sondern auch ihr enormes Alter beeindruckten. Der älteste Bonsai, den ich entdeckte, hatte stolze 525 Jahre auf dem Buckel. Am liebsten hätte ich mein Handgepäck erweitert, aber das hätte sicher mindestens Probleme mit dem deutschen Zoll gegeben.
Nach einer kurzen Rede von Shimizu Sensei und der Übergabe eines Geschenks durch das Team vom Tendokan startete mit der Abenddämmerung der feierliche Teil des Abends. In einem großen Saal standen unzählige Tische für jeweils 8 Personen. Über 300 Gäste mussten ja auch irgendwo Platz finden. Neben einer Hauptleinwand befanden sich gegenüberliegend je 2 Leinwände, sodass kein Teilnehmer dieser besonderen Veranstaltung etwas verpassen musste. Auf jedem Platz gab es auch eine Tasche mit kleinen Geschenken. Neben einem Heft mit vielen sehr interessanten Berichten von Shimizu Sensei, Waka Sensei und vielen Weggefährten der letzten Jahrzehnte gab es auch ein Furoshiki, ein traditionelles japanisches Tuch mit dem goldenen Emblem des Tendokan. Die Tischdeko, genau abgestimmt auf die Präsente und auf die vielen bewegten und unbewegten Bilder, bildete ein harmonisches Zusammenspiel.
Eröffnet wurde der Abend, durch den Tetsuya Takeda, einer der bekanntesten Schauspieler Japans, führte, vom ehemaligen japanischen Botschafter in Deutschland. Gemeinsam führte er mit Shimizu Sensei und Volker Marczona ein Kagamibiraki, ein japanisches Ritual für den Neuanfang, durch; dieses sollte den Auftakt für die nächsten 50 Jahre darstellen.
Im Wechsel folgten dann ein phantastisches 6-Gänge-Menü mit verschiedenen Reden der Landesvertreter oder alter Weggefährten. Ein gelungener Abschluss für das 50-jährige Jubiläum.
Wie in Japan üblich, hatte auch diese Feier ein definiertes Ende, und so war der Saal plötzlich genauso schnell leer, wie er sich vorher gefüllt hatte. Wir verabschiedeten uns von Shimizu Sensei, dankten für die beeindruckenden Momente und machten uns auf den Weg zum Fukudaya. Für uns sollte es zunächst der Abschied für eine Woche sein, denn jetzt stand unsere Rundreise an.
Mit einem Taxi ging es durch Tōkyō und dann wurde aus- und umgepackt. Während Björn unsere Koffer besorgte, machten Helge und ich uns auf den Weg zum Waschsalon. Helge wollte die kommenden Tage noch in Tōkyō trainieren und brauchte daher einen frischen Dogi, unsere wollte ich vor allem trocken bekommen, sodass sie die nächste Woche im Koffer verbringen sollten.
Mit vielen wirklich schönen Gesprächen und diversen Tipps vertrieben wir uns die Zeit sehr schnell und kehrten dann zum Fukudaya zurück, wo wir bereits mit Getränken und Knabbereien erwartet wurden.
Mit einer kleinen After-Party im Hotel-Foyer endete ein schönes, aber auch anstrengendes Jubiläum. Jetzt war Zeit für Urlaub.
Dienstag, 22. Oktober – Auf nach Süden
Mit dem Tag der Kaiserkrönung beginnt unsere Japan-Rundreise nach Nara, Ōsaka, Hiroshima und Kyōto.
Da mit den Feierlichkeiten zum Goldenen Jubiläum der erste Teil unserer Japanreise beendet ist, folgt der zweite in einem weiteren Bericht. Wer Lust hat, kann sich aber gerne jetzt schon unsere Bilder angucken.