Jahreswechsel bergen gewisse Gefahren. Nicht nur durch alkoholisierte Zeitgenossen, mit zweifelhaftem Humor oder Unfallgefahr infolge verringerter Gleichgewichtsempfindung, sondern auch durch die sogenannten guten Vorsätze. Während des Jahreswechsels 2016/17 sollte mein guter Vorsatz die Teilnahme am Sensei-Lehrgang auf dem Herzogenhorn sein. Ich wollte schon lange dort teilnehmen und für 2017 sah es jetzt so aus, als ob endlich alles passen sollte. Peters begeisterter Bericht vom Lehrgang 2016 gab mir dann den Rest – ich meine den letzten Ansporn, die Vorbereitungen an zu gehen.
Nach Bekanntgabe des Termins habe ich dann meinen Jahresurlaub passend gelegt und abgewartet, dass eine Anmeldung möglich wäre. Die Mitteilung kam dann spät am 2.April mit der Nachricht von Björn und Robert: “Wir haben uns angemeldet!“. Da dies bequem online möglich war, habe ich meine eigene Anmeldung dann möglichst schnell abgeschickt, der Pflock war im Boden.
Nach ein paar kleineren Abstimmungsnotwendigkeiten meinerseits, die aber sehr schnell und unkompliziert vom Berliner Orga-Team gelöst wurden, konnte es dann losgehen. Am 25.Juni machte sich die Harburger Gesandtschaft auf den Weg in den Schwarzwald. Neben den genannten Björn und Robert und mir freute sich noch Inga auf die kommende Woche. (Anm. von Björn: Niels hatte bereits an der ersten Lehrgangswoche teilgenommen.)
Nach einer langen aber sehr entspannten Reise kamen wir schließlich am Leistungszentrum an. Schön an einem Berg gelegen, von außen leicht verwittert, innen aber rustikal charmant und, wie ich dann feststellen durfte, mit sehr schönen hellen 2- und 3-Bett Zimmern mit eigener Dusche und Toilette ausgestattet. Diese waren unlängst modernisiert worden. Weiterhin gibt es ein Schwimmbad, die Möglichkeit zu saunieren, einen Trockenraum für die Dogis und natürlich das Dojo. Eine schöne Mattenfläche, welche leer sehr groß wirkte; zumindest so lange, bis alle 65 Teilnehmer dort trainierten. Nun, alles in allem fühlte ich mich dort erst einmal sehr wohl, zumal ich dank unserer flotten Reise die erste Wahl der Schlafstatt hatte.
Nach und nach trafen dann die anderen Teilnehmer, teilweise von weit her, ein. Es gab Teilnehmer aus Dänemark, Holland und sogar aus Spanien. Einige kannte ich von anderen Lehrgängen, die anderen würde ich in der nächsten Woche kennenlernen. Unsere Zimmercrew komplettierte sich mit Jörg und Fritz und da wir alle nicht abergläubisch sind (Zimmernr.13), sahen wir dem Kommenden entspannt entgegen.
Der Lehrgang teilte sich in ein Vor- und ein Nachmittagstraining auf. Am Dienstag und Donnerstag gab es zusätzlich ein Frühtraining, der Mittwoch Nachmittag war trainingsfrei. Nach einem Putzplan hatte jedes Zimmer einmal das Dojo zu säubern.
Nach einem leckeren Abendbrot und einer mehr oder weniger geruhsamen Nachtruhe trafen wir uns dann am Montag beim Frühstück das gut und reichlich aufgedeckt war.
Trainingsbeginn um 10:00 Uhr: Es sollte jetzt losgehen.
Ich möchte im folgenden jetzt nicht jeden Trainingstag im Detail beschreiben, dies würde in der Aufzählung wohl eher langweilig sein und das würde dem Lehrgang nicht gerecht.
Der Lehrgang am Herzogenhorn zeichnet sich meiner Meinung nach zum einen durch die besondere Güte der Lehrer Shimizu Sensei und Waka Sensei aus, die beide mit ihrem Können, ihrer Ausstrahlung und ihrer besonderen Art zu lehren einen Lehrgang zu etwas Besonderem machen; zum anderen macht auch die Qualität der Teilnehmer, sowie die Länge des Lehrgangs von 5 Trainingstagen, das „Horn“ zu etwas besonderem.
Mir schien es, dass sich Shimizu Sensei und Waka Sensei die Schwerpunkte in diesem Jahr etwas aufgeteilt hatten.
Während Shimizu Sensei recht viele Kokyū Formen zeigte und sich dem Begriff „ Ki“ sowie der richtigen geistigen Haltung und Einstellung für das Aikido widmete, konzentrierte sich Waka Sensei ein wenig mehr auf den technischen Teil des Aikido.
Es wurde konzentriert und von allen mit viel Elan trainiert. Ich war immer (und hier war ich sicher nicht alleine) dankbar, wenn Shimizu Sensei das Training durch Schilderungen aus seiner Zeit als Uchi-deshi bei O-Sensei und auch seines weiteren Werdegangs aufgelockert hat. Mit vielem unterstrich er seinen Anspruch, wie Aikido zu sein hat. Ehrlich, ursprünglich und natürlich, eben kein „Fake“. In diesen Zeiten, wo „Fake“ vielfach schon zum guten Ton gehört, ein sehr guter und richtiger Anspruch, wie ich meine.
Ein weiterer Anspruch an die Teilnehmer war der „Anfängergeist“, die immer wache Haltung, mit der man auch vermeintlich Bekanntes üben und ausführen soll. Dies wurde von Shimizu Sensei auch einmal auf deutsch eingefordert und hat damit die Wichtigkeit für alle noch einmal deutlich unterstrichen
Als etwas Besonderes ist mir weiterhin eine Übung mit dem Bokken sowie eine etwas spezielle Hebeltechnik im Gedächtnis geblieben. Ich hatte bei beiden Übungen das Gefühl, dass Sensei sich eines Schmunzeln nicht verwehren konnte.
Das zweimalige Frühtraining sowie die jeweils zweite Hälfte des Vor- und Nachmittagstrainings wurden von Waka Sensei geleitet. Dieser erzählte während des ersten Frühtrainings die Anekdote, dass er im Tendokan auf die Frage warum denn Koshi-Nage so selten geübt wird, antwortete, dass dies sehr schwierig und gefährlich sei. Auf die folgende Bemerkung, dass man doch auch Aikido übt, um auch mit schwierigen und gefährlichen Techniken zu Recht zu kommen, hatte Waka Sensei seinen eigenen Worten zu Folge dann keine Antwort.
Nach dieser Einleitung wurde dann Koshi-Nage geübt und auch in den folgenden Trainingseinheiten immer wieder aufgegriffen und mit verschiedenen Aufnahmen trainiert.
Ein Punkt, auf den Waka Sensei tiefer einging, war „Freundlichkeit aus einer starken Position heraus“. Freundlichkeit meint hier nicht nur das „nett sein“, sondern insbesondere jemanden verbessern oder vor Fehlern bewahren zu wollen. Dies ist ein Aspekt, über den man auch im täglichen Umgang miteinander nachdenken sollte.
Leider hatte sich Robert während des dienstäglichen Frühtrainings den rechten Fuß verletzt. Obwohl er noch getapet weiter trainierte (Anm. von Björn: Er trainierte nicht nur in der Einheit weiter, sondern noch ganze 3 Einheiten mit jeweils 1,5h.), konnten wir ihn unter dem Hinweis auf die vielen bunten Farben an seinem Fuß überzeugen einen Unfallarzt aufzusuchen. Das Ergebnis war die Erkenntnis, dass der Mittelknochen des großen Zehs schräg gebrochen war. Schiene, Krücken und Trainingsverbot waren die Konsequenz. Obwohl das Ganze mehr als ärgerlich war und ist, kann so ein Sportunfall beim Aikido halt passieren. Nichtsdestotrotz hat Robert grandiose Haltung bewiesen: Er erschien im Dogi mit Hakama (und Krücken !) zu allen folgenden Trainings und übernahm den Verbandskasten für die kleineren Blessuren. Respekt!
Leider gab es nachfolgend noch eine Bänderverletzung, die für den Trainingskollegen ebenfalls das aktive Lehrgangsende bedeutete.
Nach dem letzten Training wurden Graduierungen durch Shimizu Sensei ausgesprochen und zur großen Freude der Harburger Fraktion (ich zähle hier Jörg einfach mal dazu), wurde Robert zum Nidan graduiert. Hier nochmal meinen herzlichen Glückwunsch an alle Graduierten, insbesondere natürlich an Robert.
Nach der obligatorischen Freitagsabend Party, während der Waka Sensei eine Rede hielt, in der er den guten und freundlichen Geist der Herzogenhorn-Lehrgänge hervorhob, trafen sich dann alle am Samstag Morgen zum letzten Frühstück für diese Woche. Der eine oder andere vielleicht mit etwas kleineren Augen, abhängig vom vorherigen Abend.
Nach der herzlichen Verabschiedung durch Shimizu Sensei haben wir dann unser Auto gepackt und uns auf die lange Fahrt nach Hamburg gemacht. Diese verlief wieder entspannt und ohne Zwischenfälle, so dass wir die vorbereitete kleine abendliche Party mit den Zurückgebliebenen genießen konnten.
Was bleibt ?
Die Erinnerung an einen Lehrgang, der seinem außergewöhnlichen Ruf in jeder positiven Art und Weise gerecht geworden ist und von dem ich hoffentlich einiges an persönlichen Verbesserungen mitgenommen habe.
Jenseits der körperlichen Anstrengungen, die mich an meine Grenzen und teilweise darüber hinaus gebracht haben (dem schweren Atmen auch zu meiner Linken und Rechten während der Anleitungen zu Folge, war ich damit aber nicht ganz allein), bleibt mir eine schöne Woche mit einem absolut tollem Team im Gedächtnis. Dies meint nicht nur die Harburger (plus unsere Adoptionskinder Jörg und Fritz) sondern auch die ganze Truppe der 65 Teilnehmer. Ich erinnere mich an viele nette und charmante Begegnungen und Gespräche.
An dieser Stelle noch ein großes Dankeschön an die Organisatoren für ihren Einsatz und ihre Mühe.
Bis zum nächsten „Horn“ ist es jetzt noch ein Jahr hin. Aber Vorsätze für 2018 brauche ich ja erst Silvester zu fassen. Mal schauen ;-).
Andreas Behnke