Am letzten Novemberwochenende hatten wir Massimiliano Gandossi zu Gast – am ersten wirklich frostigen Wochende dieses Jahres kam er extra für unseren Lehrgang aus Mailand nach Hamburg und wurde dabei von sieben seiner Schüler begleitet.
So wie viele andere auf der Matte, kannte ich Max bisher nur als Trainingspartner; als Lehrer war er mir vollkommen unbekannt und so war die Vorfreude auf viel Neues ungleich größer, als bei einigen unserer bisherigen Lehrgänge. Die Erwartung des Unbekannten wurde durch Max interessante Vita gesteigert: Als professioneller Yoga- und Aikidolehrer war er über 20 Jahre im Aikikai, bis er vor wenigen Jahren mit seinem ganzen Dojo (und damit allen Schülern) zum Tendoryu wechselte.
Gleich zu Beginn des dreitägigen Lehrgangs zeigte sich, dass dieser Wechsel zum allgegenwärtigen roten Faden der kommenden Tage werden sollte – Max zeigte uns keine neuen Techniken, er half uns das uns bekannte Tendoryu Aikido aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.
Bei jeder Form demonstrierte er, wie er früher trainiert hatte – wie die Interpretation der Technik im Aikikai war (und vielleicht noch ist). Daraus leitete er dann sofort her, warum er jene Form heute unlogisch findet und wie er es jetzt macht.
Etwas neues zu lernen ist einfach, etwas altbekanntes zu vergessen und einen neuen Weg zu beschreiten ist dagegen unglaublich schwer! Daher war sein Tipp: In jeder Übung sich nur auf ein einziges Detail zu konzentrieren. Mit der Zeit würde man sich dann aller Details einer Technik annehmen und sie damit im ganzen verändern. Das dieser Weg auch für ihn nicht einfach war, machte er am Beispiel der Hüftbewegung einer Technik deutlich. Am Anfang, in der Phase der unbewußten Inkompetenz, benötigt man auf jeden Fall eine Hilfestellung von außen: „Deine Hüfte dreht in eine falsche Richtung!“; in der Phase der bewußten Inkompetenz ist man sich des eigenen Problems schon klar, hat aber noch keine Lösung dafür – man stellt sich die Frage: „Wie bekomme ich meine Hüfte dahin?“.
Durch das fortwärende Training erreicht man dann die Phase der bewußten Kompetenz, in der einem das Prinzip der Technik schon klar ist – mit etwas Mühe erreicht man fast jedes mal die angestrebte Hüftdrehung; Schließlich, wenn die Übung der Technik zur Nebensache wird und man sich auf andere Aspekte konzentriert, erreicht man die die Phase der unbewußten Kompetenz – die richtige Bewegung der Hüfte folgt ganz automatisch dem Fluss der gesamten Form.
Die wichtigste Vorraussetzung für diesen Fortschritt ist das konsequente Achten auf die Logik der Bewegung und auf den eigenen Körper. Aus keinem Fall darf man eine Technik gegen die Kraft des Partners durchsetzen wollen. Zu einem geflügelten Wort seines ganzen Lehrgangs wurde dann „unnecessary roughness“. Diese übertriebene Härte wird auch im American Football geahndet und von dort hatte Max auch diesen Ausdruck entnommen.
So vergingen der Freitag Abend, der Samstag und auch der Sonntag wie im Fluge. Gefühlt waren sie nur durch kurze Pausen mit leckerem Essen unterbrochen, denn eigentlich war der Kopf die ganze Zeit beschäftigt: Da alles bekannt und doch neu war, musste sich jeder extrem anstrengen nicht wieder in alte Muster zu verfallen.
Am Ende stand dann für alle fest: Die Idee Max einzuladen war sehr gut, wir freuen uns auf eine Wiederholung und sagen: Mille Grazie!