Etwa ein Vierteljahr, nachdem ich begonnen hatte, die Kunst des Aikido unter Björns aufmerksamen Blicken zu erlernen, bereitete ich mich und mein Gepäck für meinen ersten Aikido-Lehrgang vor. Da ich zu Beginn des Jahres sehr herzlich in der Aikido-Gruppe der Turnerschaft Harburg aufgenommen worden war, ließ mich der Gedanke an das Wasser, in das ich da zu springen gedachte, nicht allzu sehr frösteln. Ich war mir sicher, dass meine erfahreneren Mitstreiter mich nicht bei der Hand nehmen würden, um sie sofort in einem schmerzhaften Hebel zu verdrehen, jedenfalls nicht nur. Nur Roberts Aufforderung, trotz des Wetters der vergangenen Wochen vorsichtshalber eine Badehose einzupacken, erweckte größere Zweifel in mir.
Gleich mehrere Kameraden aus der Turnerschaft hatten mir freundlich angeboten, mich in ihren Autos nach Schönhagen mitzunehmen. Am Freitag, den 5. Mai 2017, holte mich Inga von Zuhause ab und fuhr mich sicher und bequem über die Autobahn und über die von Bäumen und Feldern gesäumte Bundesstraße des Kreises Rendsburg-Eckernförde. Während die Umgebung in mir, der ich in einem Dorf in Schleswig-Holstein aufgewachsen bin, heimatliche Gefühle weckte, überkam mich beim Anblick unserer an eine Blockhütte erinnernde Unterkunft eine Ahnung von bevorstehender Lagerfeuerromantik.
Zunächst galt es jedoch, handfeste Angelegenheiten zu regeln. Der Aufbau der Mattenfläche ging dank vieler helfender Hände schnell und reibungslos voran. Als wir erfuhren, dass uns der Speisesaal aufgrund des hohen Andrangs an jungen Fußballspielern – wir sollten ihnen noch öfter begegnen – erst später als geplant für unser Abendessen zur Verfügung stehen würde, bezogen wir unsere Betten und verstauten unser Gepäck. Nach unserer Mahlzeit, über die sich aus meiner Sicht ebenso wenig Schlechtes sagen lässt wie über die folgenden, begann unsere erste Trainingseinheit dieses Wochenendes.
Der Unterricht des gesamten Lehrgangs war vor allem geprägt von Schnitten, ausgeführt mit Hand und Klinge. Letztere brach später, geführt von erfahrenen Kriegern, selbst dem Widerstand manch eines widerspenstigen Schaumstoffzylinders. Björn führte den Teilnehmern in seiner gewohnt durchdachten und ironisch-humorvollen Art vor Augen, wie hilfreich es ist, bei der Übung von Aikido-Techniken ihre Herkunft aus der Kunst des Schwertkampfes zu bedenken. Dies erlernten wir nicht nur anhand verschiedener Ausführungen des Shiho-Nage, sondern auch durch eine Einführung in eine grundlegende Schwerthiebtechnik und deren Abwehr mit dem Bokken. Außerdem zeigte uns Björn Möglichkeiten, unser Ukemi ohne die Hilfe eines Partners zu verbessern. Das Ziel dieser offenbar eher selten durchgeführten Übungen lag darin, unsere Flexibilität zu steigern, unser Wissen über die Möglichkeiten, einem Angriff auszuweichen, zu vergrößern und lustige Fotos von sich verbiegenden und durch ihre eigene Imagination zu Fall gebrachten Menschen in schwarzen Rockhosen zu produzieren. Helge griff in der Trainingseinheit, die er leitete, all diese Ideen gekonnt auf, zeigte den teilnehmenden Enthusiasten aber auch weiterführende Wege auf, um ihren Körper an die Anforderungen des Aikido-Trainings zu gewöhnen.
Am Samstagabend lag die Mattenfläche verlassen da und wartete sehnlichst darauf, am nächsten Morgen ein letztes Mal während dieses Wochenendes betreten zu werden. Als der Kampf um die begehrten Grillplätze, Pappteller und Plastikbecher erfolgreich ausgefochten war, unsere Mägen verstummt waren und ein Zusammenstoß mit einem allzu anspruchsvollen Fußballtrainer nicht einmal mehr als Gesprächsstoff taugte, begann der gemütliche Teil des Samstagabend. Umrahmt von dunklen, hohen Bäumen wärmten wir uns am Lagerfeuer und genossen die von Andreas und Esko mitgebrachten Getränke, während ein Troubadour mit wallendem Haar zusammen mit seiner holden Maid lustige Lieder sang.
Nach der letzten Trainingseinheit am Sonntagvormittag und einem Strandspaziergang in größerer Runde, den der Unerschrockenste von uns für einen kleinen Tauchgang nutzte, machten wir uns wieder in Richtung Harburg auf. Obwohl mir am Sonntagvormittag bewusst wurde, wie sehr meine Konzentrationsfähigkeit im Laufe der drei Tage deutlich nachgelassen hatte und ich sehr müde war, stellte ich fest, dass ich mich zurecht auf ein entspanntes, aber interessantes Wochenende eingestellt hatte.
Frederik Marochow