Schönhagen die 11te – oder: Das kürzeste Schönhagen aller Zeiten
Wie schon in den vergangenen 10 Jahren, ging es für die Aikidoabteilung der Turnerschaft Harburg auch in diesem Jahr an die Ostsee, nach Schönhagen. Dieses ;al wird der Lehrgangsbericht aber einmal etwas anders, er kommt aus der Sicht der Organisatoren:
Björn und ich stehen bei der Organisation von Schönhagen (ich war in den letzten Jahren schon unterstützend dabei) immer vor dem Problem der Terminfindung – wann ist der beste Zeitraum? Gibt es noch offene Termine seitens des Betreibers? Wann haben von uns die meisten Leute Zeit?
Und so haben wir im Herbst des vergangen Jahres wie immer die Termin-Anfrage an die Hamburger Sportjugend (als Betreiber der Ferienanlage) gestellt. Trotz der frühen Anfrage gab es nur noch 3 potentielle Termine: Entweder Ende März oder zum August/September. Die letzten Termine konnten wir, wegen der Sommerferien, sehr schnell streichen, so dass nur noch der Termin 28. bis 30.03. in Frage kam. Nach einigem eMail Verkehr mit der freundlichen Frau Steube von der Hamburger Sportjugend erstellten wir im Februar die Ausschreibung für Schönhagen 2014. Bereits nach wenigen Stunden hatten wir bereits 13 der (erforderlichen 16) Plätze belegt. Natürlich können wir auch mit weniger Teilnehmern fahren, aber unser Appartementhaus hat 16 Betten und einen Fixpreis – daher haben wir natürlich immer das Interesse mindestens dort alle Betten zu füllen.
Vor allem im Hinblick auf den Termin, der im letzten Jahr noch Eis, Schnee und klirrende Kälte gebracht hatte, waren wir über die vielen Anmeldungen mehr als glücklich. Natürlich kann uns für das Training keine Jahreszeit schocken, wir sind ja in einer Halle, aber das Wetter für unser traditionelles Grillen am Samstag ist Sonne und Trockenheit… von Wärme war nie die Rede.
An dieser Stelle einen großen Dank an Renate, die in den vergangenen 10 Jahren einen Großteil der Organisation von Schönhagen gemacht hat und mich in diesem Jahr bat, diese Aufgabe zu übernehmen.
Im Laufe der Tage und Wochen füllte sich die Schönhagen-Liste immer mehr, und ich ging schon davon aus, dass die Halle sehr voll würde und wir im 11. Jahr die höchste Teilnehmerzahl verzeichnen könnten – dies sollte sich 2 Wochen vor dem Lehrgang jedoch noch als Trugschluss herausstellen.
Sehr schnell nach der Zahlungsaufforderung an die Teilnehmer hatten wir auch die ersten Zahlungseingänge – vielen Dank an alle Schönhagen-Reisenden für eure gute Zahlungsmoral! Mir war daran gelegen, rechtzeitig vor dem Lehrgang mindestens die Hälfte der Gesammtsumme auf dem Konto zu haben, um diese wie jedes Jahr an die Hamburger Sportjugend zu entrichten. Zur Zahlungsfrist, genauer am Montag danach, rief ich bei Frau Steube im Büro an und war überrascht bei ihrer Aussage: „Ach Herr Patzwald, das ist sehr nett, dass Sie sich darum kümmern, die meisten machen das leider nicht mehr. Bei Ihnen reicht auch eine Endabrechnung nach dem Lehrgang.“ Nun, das sparte mir schon mal wieder etwas Arbeit.
Zwei Wochen vor dem Lehrgang, unsere Teilnehmerzahl war mittlerweile auf 23 gewachsen, passierte dann das, was nicht passieren durfte: Die ersten Absagen trudelten ein. Insgesamt wurden es 5 und da Dorothea und Alexander mit ihren 3 Kindern nicht in ein Vierbettzimmer im Appartementhaus passen und daher schon ausquartiert waren – fehlten uns plötzlich 3 Teilnehmer… (Es sei noch mal explizit gesagt, dass alle Absagen gesundheitliche Gründe hatten und wir von jedem hörten: „Wenn Ihr keinen Ersatz findet, brauche ich das Geld nicht zurück.“)
Absagen sind aber nie schön, die Teilnehmerzahl verringert sich ja nicht nur im Hinblick auf die fixen Kosten, es gibt auch weniger Partner auf der Matte. Was sollten wir also tun? Ersatz suchen! Mit jeder Absage fragte ich in den befreundeten Dojos, ob hier noch jemand Zeit und Lust hätte. Und schon bald sagten Jörg und Nicklas aus dem Seishinkan zu. Beide trainieren seit ein paar Jahren bei Eckhardt, und ich freute mich auf neue Trainingspartner. Aus Wilhelmshaven stieß dann noch Basti zu uns und so waren wir, kurz vor Schönhagen, wieder komplett.
Am Mittwoch rief ich in Schönhagen an, um die Anzahl der Vegetarier sowie unseren Wunsch zu grillen mitzuteilen. Auf die kurze Nachfrage: „Ihr wollt grillen.“ antwortete ich mit einem klaren: „Selbstverständlich – wie bereits seit 10 Jahren.“ Auf die Aussage: „Hmm, ja… Man kann Traditionen ja auch ändern.“ reagierte ich nicht weiter…
Doch dann, einen Tag vor dem Beginn des Lehrgangs, kam eine Mail von Erik aus Vejle (Dänemark): Sein Vater würde ins Krankenhaus eingeliefert und somit könnte er nicht zum Lehrgang kommen, da der Gesundheitszustand hier sehr schlecht sei… aber 2015 sei er sicher dabei. Da wir in der Zeit der Schönhagen-Organisation ebenfalls familiäre Probleme dieser Art hatten, konnten wir ihn nur zu gut verstehen. Wir waren also wieder einer zu wenig und hatten eine Anmeldung für das nächste Jahr.
Was folgte war schnelles überlegen… Wen könnte man so kurzfristig noch gewinnen? Per Smartphone schickte ich einige Mails und dann, ganz spontan, noch eine SMS an Axel. Kaum eine Minute nach dem Versenden erfolgte der Anruf mit den Worten: „Hi Robbi, kurz bevor ich die SMS bekam, dachte ich bereits an Schönhagen…“ Ich war nicht nur erleichtert, sondern sehr erfreut. Zwar meinte Axel, er könne erst am Samstag Vormittag dazu stoßen, aber sowas ist natürlich kein Problem.
Wieder waren alle Betten verteilt, und es musste umorganisiert werden: Alle gedruckten Listen waren wieder veraltet, wir mussten die Zimmer neu verteilen und noch spät in der Nacht neue Listen drucken. Schon seit einigen Jahren erfolgt die Aufteilung der Teilnehmer im vorherein. An die einzelnen Zimmer kommen dann Zettel mit Namen (und den Zeiten des Matten-Putz-Diensts), damit sofort jeder sein Zimmer findet. Dies hat für uns Organisatoren vor allem den Vorteil, dass wir nicht jeden zum Zimmer begleiten müssen.
Da oft die Frage aufkommt, unter welchen Gesichtspunkten die Zimmereinteilung erfolgt: Wir sind darum bemüht, es allen Teilnehmern so recht wie möglich zu machen. So grübeln wir natürlich vor der Einteilung darüber: Wer kann gut mit wem? Gibt es Paare? Haben wir Minderjährige mit? Wer musste das letzte Jahr in das Zimmer mit den Schnarchern? Immer wieder in der Hoffnung, dass die größtmögliche Zufriedenheit erreicht wird.
Nun zum Freitag: Bevor wir uns mit einem absolut voll bepacktem Auto auf den Weg nach Norden machen konnten, waren noch einige Dinge zu erledigen: Björn besorgte die Blumen für den Lehrgang, dann ein Krankenbesuch und später liehen wir uns bei Gaëlle ein lichtstarkes Objektiv, mit dem wir in Schönhagen fotografieren wollten. Neben unseren persönlichen Trainingsklamotten, der Kleidung und Bettwäsche mussten wir aber auch an das Schwert, das Kakejiku, die Graduierungsurkunden und andere Dinge denken.
Gegen 15:30 Uhr erreichten wir (vor allen anderen) Schönhagen und suchten Norbert, die gute Seele der Anlage. Von ihm bekamen wir die Schlüssel für die einzelnen Räume, und dann teilten wir uns auf: Björn übernahm den Part in der Halle, ich kümmerte mich um die Sachen aus dem Auto und die Zimmeraufteilung.
Es dauerte aber nicht lange und es trafen Familie Diekmann sowie Peter mit Niels und Theresia ein. Als ich mit der Arbeit im Haus fertig war und die Halle erreichte, war ich sehr froh, dass sich die Matten, welche wir mit einigem Hin und Her im vergangenen Jahr neu organisieren konnten, noch in einem so guten Zustand befanden. Norbert hatte unseren Rat befolgt und die neuen Matten an die Kette gelegt – nur an „fachkundige Hände“ sollte der Schlüssel abgegeben werden. Das Verlegen der Matten ging, nach jahrelanger Übung und Dank der vielen Händen sehr schnell und so waren Aufbau, Reinigung und „Dekoration“ deutlich vor dem Abendessen um 18 Uhr fertig.
Da nicht alle Teilnehmer um 18 Uhr vor Ort sein konnten, stellte ich einige kalte Platten zusammen – die später Kommenden sollten doch auch etwas zu essen bekommen.
Das Training begann dann um 19:15 Uhr. Björn begrüßte alle bis dahin Eingetroffenen, und der Geist von Schönhagen umfasste uns recht bald. Die Stimmung war prächtig und so machte das Trainieren nicht nur Spaß, sondern wir konnten ab dem ersten Tag viel lernen (und die Vielfalt der Technikvarianten im Tendoryu Aikido bewundern ;-) ).
In diesem Jahr fiel mir noch eine weitere Aufgabe zu, mit der ich nicht gerechnet hatte: In den vergangenen Jahren sprach ich immer wieder mit Björn über Photos vom Training und dabei zeigte er mir, dass es in den vielen Gigabyte von Aikidobildern so gut wie keine von ihm gibt… Kein Wunder, der Photograph macht in der Regel von sich selbst keine Bilder, und nicht jeder kennt sich gut mit der Technik aus, dass die wenigen Bilder dann auch noch gut werden. Und so drückte mir Björn gleich zu Beginn der ersten Trainingseinheit seine Kamera in der Hand – ich wurde auch noch zum offiziellen Photographen. Mit jedem Bild wurde das Gefühl für Kamera, Umgebung und Technik besser, und die Auswahl der Bilder auf unserer Homepage zeigt das hoffentlich auch.
Nach dem ersten Training ging es in den geselligen Teil des Abends über. Trotzdem blieben einige noch lange auf der Matte, und dort wurde noch die eine oder andere Technik hinterfragt und korrigiert. Der Abend (übrigens das erste Jahr, in dem alle am Freitag Abend drinnen im Haus waren) wurde sehr schön; Inga und Sebastian gaben zur Feier ihrer Graduierungen in Kitzingen die Getränke aus – vielen Dank dafür! So ging es nach langen Gesprächen erst spät zu Bett.
Der Samstag begann mit einem Frühstück um 8 Uhr und dem Training um 9:45 Uhr. So hatten wir genügend Zeit nach dem Frühstück zum Umziehen und Matteputzen, aber auch genug Zeit, um vor dem Mittag gut zu trainieren. Während der ersten Trainingseinheit tauchte dann auch Axel auf, der sich ja für Samstag früh angekündigt hatte. Schnell umgezogen und mitgemacht, waren endlich alle Teilnehmer vor Ort.
Von Anfang an am meisten beeindruckt hat mich die Trainingsteilnahme der Jüngsten und insbesondere des Jüngsten auf der Matte: Malte, Carsten und Ole bereichern schon das Kindertraining sehr, aber wie erstaunt waren alle, dass Ole mit seinen 6 Jahren jede einzelne Trainingseinheit des gesamten Wochenendes wahr genommen hat. Respekt!!! Wie immer wurde der Mittag so frei gestaltet, dass jeder das machen konnte, wozu er am meisten Lust hatte. Der Einkaufstrupp für das abendliche Grillen war schnell gefunden, und der Nachschub an Getränken wurde ebenfalls gesichert.
Zusammen mit Björn nutzte ich die Zeit, um mit Alexander, Dorothea, Carsten sowie Ole einen Strandspaziergang einzulegen. Am Strand angekommen fühlte man sich wie im Film „The Fog“, mit der Ausnahme, dass dieser Strandspaziergang alles andere als grauenvoll wurde. Carsten schlenderte am Strand entlang und wir nahmen den parallel verlaufenden, befestigten Weg… Doch nach einigen Minuten zeigte sich: Carsten war trotz des dicken Nebels sehr schnell unterwegs und schon bald außerhalb der Sichtweite. Da wir zeitig zurück sein wollten, erhöhte ich mein Schritttempo und schloss nach einiger Zeit zu ihm auf. Er hatte sich zwar kurz gewundert, als niemand mehr hinter ihm zu sehen war, dann aber unbeirrt weiter gelaufen. Auf dem Rückweg trafen wir dann nach einige der anderen, das Wasser lädt eben bei jedem Wetter zum spazieren ein.
Die erste Trainingseinheit des Nachmittagstrainings übernahm Niels. Niels gibt seit einigen Jahren das Montagstraining und ist für unsere Gruppe unverzichtbar geworden. Ein anderer Lehrer ist nicht nur eine Bereicherung für so ein Wochenende, sondern für Björn eine willkommene Gelegenheit, mitzutrainieren – eine Gelegenheit die sich für Ihn – als Trainer in Wilhelmshaven und freitags in Harburg – nicht zu oft bietet.
Nach einer 10 minütigen Pause übernahm Björn die 2te Nachmittageinheit. Am Ende dieser Einheit ging es wieder ums Aufgabenverteilen, aber im Prinzip weiß ja jeder, was zu tun ist: Mit Sebastian P. war der Grillmeister des Abends schnell gefunden, Inga holte das Essen aus der Küche, Jörg R., Patrice, Malte und Carsten übernahmen die Verantwortung für das Lagerfeuer und jeder half beim Tragen und dem Aufbau. Mit Rücksicht auf die Kinder und die Jahreszeit sollte es um 18:30 Uhr losgehen und pünktlich lag das erste Grillgut auf dem Rost. Ein voll gepackter Grill, viele Personen um das Lagerfeuer, Essen, Trinken und Gitarren – damit war der Höhepunkt des Abends erreicht. Selbst die Kleinsten blieben lange am Feuer, und so ging es trotz des Nebels (es blieb aber trocken und war, auch recht lau) erst spät nach drinnen oder ins Bett. Leider musste sich Peter aufgrund familiärer Verpflichtungen bereits am Abend verabschieden, aber er wünschte uns einen schönen Trainingssonntag.
Während des Lagerfeuers verbreiteten wir schnell unsere Botschaft: „Das wird das kürzeste Schönhagen aller Zeiten!“ Doch warum? Nun, dieses Schönhagen lag auf dem Wochenende der Zeitumstellung. Somit wurde nicht nur die Nacht um eine Stunde kürzer…
Recht müde starteten wir in den letzten Tag unseres Wochenendes, das wir zum ersten Mal unter dem japanischen Begriff Gasshuku ausgeschrieben hatten. Dieser Begriff (wörtlich: gemeinsame Unterkunft) bezeichnet in Japan die gängige Praxis des gemeinsamen Lernens und Lebens, zum Beispiel für ein Wochenende. Die Idee des gemeinschaftlichen Lernens wurzelt im konfuzianistischen Bildungsideal – der Grundgedanke ist, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken, indem man voneinander lernt. Ausschlaggebend ist dabei nicht die individuelle Begabung, sondern die aufrichtige Anstrengung.
Wie bereits am Tag zuvor startete unsere Trainingseinheit nach einem ausgiebigen Frühstück um 9:45 Uhr. Nach den vielen Basis-Techniken der Tage zuvor übten wir zum Abschluss Techniken mit zwei Angreifern – hier war noch mal die volle Konzentration gefordert!
Björn ergriff nach dem Abgrüßen erneut das Wort und verkündete die Graduierungen: Dorothea und Alexander wurden jeweils zum 3. Kyu graduiert – Glückwunsch an die Beiden. Seitdem ihre Jüngsten bei uns trainieren, sind auch die Beiden mit dabei; mit Rat und vor allem viel Tat unterstützen beide die Gruppe ungemein und sind mittlerweile absolut unverzichtbar geworden. (Und das nicht nur beim Kindertraining, welches durch beide sehr bereichert ist.) Björn lobte die Verdienste beider deutlich und kam dann zu der großen Besonderheit dieses 11. Schönhagens: Ole wurde, neben seinen Brüdern, hervorgehoben und hoch gelobt. Mit 6 Jahren jede Trainingseinheit intensiv zu trainieren, ist keine Selbstverständlichkeit! Zwar wird auch den Partnern in Sachen Aufmerksamkeit und Technikverständnis viel abverlangt, aber es zeigt sich erneut: Es gibt beim Aikido fast keine Altersbeschränkungen – weder nach unten, noch nach oben. Aikido kann jeder trainieren und das sogar miteinander. Wozu also eine „50+ Gruppe“ oder eine reine Frauen-Gruppe einführen? Nur, weil man sich nicht aufeinander einspielen möchte?
Nach dem Abbau der Matte, dem Fegen der Räume und dem Mittagessen verabschiedeten sich alle herzlich voneinander, und eine große Gruppe ging noch gemeinsam zum Strand (der bei nun herrlicher Sonne zum Spazieren einlud).
Und an dieser Stelle sei gesagt, so freut man sich nicht nur auf ein Schönhagen 2015, die Organisation macht mit derart viel Unterstützung an allen Fronten wirklich eine Freude.
Euer Robert
Robert Patzwald